Ich sehe ein Licht durch die Bäume

 
Walter J. Pilsak
 
Man könnte dem Lichte folgen
über den Wipfeln der Bäume
entfliehen dem nachtschwarzen Seufzen
der angstkalt geschwitzten Träume

Man könnte die Wärme spüren
als Mantel auf nackter Haut
der Sonne entgegen treiben
mit Segeln aus Lichtern gebaut

Man könnte ein bißchen sterben
auf Blättern gebettet im Moos
die Menschen vergessen, die taumeln
im Spätsommerwind schwerelos
 

Udo Schmitt, Januar 2001

 
 
 
 



 

Kleine Meinungsverschiedenheiten

Rauch zieht über Körperteile
ein Fuß, ein Auge
auf der Klippe
Verstummt der Klang des Donnerhalls
deiner letzten Worte

Ich sah dich blutig
schwitzen aus dem Mund
als du im dürren Grase lagst
und roh der Himmel Steine warf
als grün und blaue Flecken

Mein Lächeln, zahnlos und verschwommen
schlägt Purzelbäume übers Feld
Wähnt sich schon auf dem Siegertreppchen
Bis mir der Sturzbach deiner Tränen
die Lungen langsam füllt
 

Udo Schmitt, Februar 2001

 
 
 
 
 


 

Es nervt jetzt wirklich!

Es plappert der Fant
die Sekunden zu schwammigen
muschelfleischweichen
gallertzähen
rotzig zerfließenden Breiten

Es speit mir der Fant
Minuten zu Stunden
mit luftblasenschwangerem
zäh auf dem Boden
keuchendem Speichel

Es raubt mir der Fant
den Verstand
und am Rand
meines Nervengebirges steh ich
und stürze mich tief in den ewigen Abgrund der Stille

 

Udo Schmitt, Februar 2001

 
 
 
 
 
 


 
Gefangen
 (elegisch)
 
 
Henning Conrad
 
Deine Augen wie Grabesstille
Schattenhöhlen und Knochenwände
Heillose Wüste aus Rauch und Scherben
Kraftvolles Reich für dunkle Helden

Funken schlagen mir aus den Händen
Hammer und Stahl sind diese Worte
Ich spür‘ die Kälte deiner Nähe
Windhauch über den schneidenden Felsen

Du hebst den Blick und siehst mich wanken
Göttin aus Stein mit harten Schwingen
Nimmst mich mit fort in die dunklen Berge
bist nun für mich die einzige Sonne

 

Sonne weckt meine zitternde Seele
Vogelstimmen mein steinernes Herz
Schmerzen sind mir die Wegbegleiter
aus deinem Reich des dumpfen Rufens
 

Udo Schmitt, April 2001

 
 
Henning Conrad
 
 
 
 
 

 
 
Sommernachmittagsflug
 
 
Henning Conrad
 
 
 
Der laue Wind bläst dich hinfort
über Wiesen, Felder, Gräben
Häusermeere, Straßen, Gärten
durch die Lüfte meilenweit

Frage nicht, wo ist das Ziel
wo das Ende deiner Reise
werden neue Blüten treiben
oder wartet doch der Tod

Fliege weiter mit dem Wind
freue dich am Licht der Sonne
tanze unter blauem Himmel
in deinem silberweißen Kleid
 

Udo Schmitt, Mai 2001
 
 

 
 
 
Nicht mehr 
In dir
Das Gefühl von Meer
Ein Brausen wilder Orkane
Gewalt von Ebbe und Flut
und doch liegst du auf dem Grund
gebettet in goldenem Sand

Möwen fliegen verstört
über das krustige Salz deiner Berge
Vertrocknet das wendige Tier
auf seinem mühsamen Wege
in das beschworene Land
 

Udo Schmitt, Juni 2001
 
 



 

Nihilismus

Je näher er den Motorblock
auf sich zukommen sah
um so weiter entfernte sich sein Leben
oder das, was er dafür hielt
von ihm

Und als er dann tot war
 

Udo Schmitt, Juni 2001

 
 

 



 

Meeresruhe

Das Wasser wird ruhig
wir gelangen zum Meer

Weitab vom wilden Geschrei
der kanibalistischen, markerschütternden Rufer
und Redner an Pulten in trockenen Räumen
tief in den steinernen Städten
und fern von der Ruhe
sich glättender Wellen
des riesigen Meers

Das Leben wird ruhig
wird langsam zum Meer
 

Udo Schmitt, Juli 2001

 
 
 



 

Die Nacht der Glühwürmchen

Deine Hüften
kreisen Kreise
wildes Tier
in meinen Armen

Hitze hechelt
über Rhythmen
Füße wollen
ewig tanzen

Liebe glüht
auf nackter Haut
und Nachtwind kühlt
das Lichterloh
 

Udo Schmitt, Juli 2001
 
 
 
 




 

Regenschraffur

Es gibt keine Wörter an diesem Morgen
sie halten gespannt den Atem an
Kein finsterer Fluch füllt mehr das Tal
Kinder lauern an Fenstern

Das Rinnsal eilt zum Vater, dem Bach
dieser schwillt an und wähnt sich als Strom
Blätter schütteln sich naß und warten
Schlamm quillt durch seine Zehen

Liebe rinnt kalt den Rücken hinunter
tropft herab von entblößter Haut
Kurz sehnt er sich nach einer letzten Berührung
Dann schwimmt er zum anderen Ufer
 

Udo Schmitt,August 2001

 
 
 
Henning Conrad
 
 
 
 




 
Fast ein Tod

Ruhe in Frieden
rastloser Geist
Genieße die Stille
Betrachte sie einfach
als liebenden Freund

Dein Blick sieht starr aus dem Fenster
Zeit fließt lautlos vorbei
Das Denken wird weißer
und Fühlen wird grau

Schaufeln sind meine Hände
durchgraben Gedanken nach Worten
die an dein Leben erinnern
 

Udo Schmitt, November 2001
 
 
 
 




 

Mutter, wie weit darf ich reisen

 
Henning Conrad
 
 
Mutter, wie weit darf ich reisen
über die Mauern, ins fremde Land
bis an die Grenzen deiner Vernunft
entlang am wellenbewegten Strand

Mutter, wie weit darf ich reisen
durch meine Sümpfe, hinaus in das Moor
trübe Gedanken, verhangene Nebel
bis auf die höchsten Gipfel empor

Mutter, wie weit darf ich reisen
mit den Soldaten hinaus in den Krieg
Trommelklang und im Gleichschritt voran
kämpfen für einen gerechten Sieg

Mutter, wie weit muss ich reisen
ehe die Liebe den Körper durchdringt
bis deine Augen mich nicht mehr verfolgen
und meine Seele vor Freude zerspringt
 

Udo Schmitt, Dezember 2001

 
 
 
 


 

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