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Ein glücklicher Moment
 
 
 

Sein Körper war ihm fremd. Er verformte sich oszillierend, wie eine Wasserblase, aufgenommen in Slow-Motion. Die Wangen blähten sich auf, sie flatterten. In den Augen glänzte ein Fenster. 

Gierig schnappte er nach Luft. Eine Frau kam angerudert, in einem großen, hölzernen Bett. Als sie in Reichweite war, warf sie ihm ein Kissen herüber. Er wollte lächeln, seine Backen flatterten jedoch nur. Sein Herz stand still. Ich komme jetzt, rief die Frau. Er konnte ihr 
kein Lächeln schenken. 

Die Frau hatte zwei Arme, zwei Augen und zwei Brüste. Der Mann hatte eine Nase, einen Nabel und einen ... 
Mordshunger auf zwei Arme, zwei Augen und zwei Brüste. Sein kanibalischer Blick sprach Bände. Die Backen flatterten jedoch. Er konnte nicht lächeln. 

Die Frau sprang herüber in sein vertrautes Bett. Der Mann sah auf ihre Arme, auf ihre Augen und auf ihre Brüste. Er wollte sie anfassen. Seine Hände jedoch zitterten. Er wollte sprechen, die Wangen, sie flatterten. 

Die Frau sang ein Lied und kämmte ihr Haar mit einem großen Kamm. Der Mann sah im Geiste einen Film mit nackten Menschen. Sie verrenkten sich sonderbar. Der Mann wollte sprechen, seine Wangen flatterten jedoch. Die Menschen im Film schrien laut. Der Mann schloß die Augen, die Menschen verfolgten sich kreischend. Die Frau küßte ihn auf die 
Schulter. Der Mann wollte sprechen, seine Wangen jedoch flatterten nur. Die Frau sah hinaus aus dem Fenster. Vögel umwarben sich ausdauernd. 

Der Mann wurde leichter und schwebte zur Decke. Die Frau zog ihn immer wieder zu sich herab, klemmte ihn zwischen die Beine. Der Mann wollte sprechen, die Frau sang ein trauriges Lied. Seine Finger waren Fäuste, seine Füße waren Klumpen. Seine Haut war so weich und unbehaart. 

Da ließ sie ihn los. Er schwebte zur Decke und platzte in tausende Tröpfchen. Er regnete herab. Sie breitete die Hände aus und seufzte. Ein glücklicher Moment. 
 

  

Udo Schmitt, Juni 2000 

 

 
 
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