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Frau am Steuer
 

Gluthitze im Auto. Und dann dieses dumpfe, hohle Geräusch. Ich sehe in den Rückspiegel. Natürlich ist es eine Frau, die mir gerade meinen BMW von hinten gerammt hat. Wahrscheinlich musste sie sich die Lippen nachschminken und war deswegen einen klitzekleinen Moment unaufmerksam. Ich habe gar keine Lust, auszusteigen und mir ihre Entschuldigung anzuhören. Was hat uns diese Gleichberechtigung nur gebracht, frage ich mich? Wäre es nicht viel besser, man würde Frauen grundsätzlich vom Straßenverkehr ausschließen? Wahrscheinlich war es eine Idee der Autoindustrie, auch Frauen ans Steuer zu lassen - zur Steigerung des eigenen Umsatzes.

Irgendwann steige ich dann doch aus meinem Auto aus und setzte mich ins nächste Cafe. Wann kommt endlich das Fräulein, denke ich mir. Als sie schließlich kokett an meinen Tisch trippelt, sehe ich ihr erst tief in den Ausschnitt und dann in die Getränkekarte. 

"Bringen Sie mir bitte einen Whisky mit Eis". Daraufhin sehe ich ihr noch einmal in den Ausschnitt. Das Fräulein lässt es bereitwillig geschehen. Dann bewegt sie sich mit hüpfenden Brüstchen drei Tische weiter. Mir fällt auf, dass mir ihr knackiger Hintern gefällt. Am Nebentisch unterhalten sich drei ältere Damen über den Inhalt ihrer Strickzeitschrift. Verärgert bemerke ich, dass mein rechter Arm vom Stich einer Stechmücke stark anschwillt. Ich erinnere mich daran, dass es ausschließlich weibliche Stechmücken sind, die sich auf derartig infame Weise ein einem Menschen zu sättigen pflegen. Ungeduldig schlage ich mit den Fingern auf den Tisch.

Als mein Whisky nach fünf Minuten immer noch nicht serviert worden ist, stehe ich auf und gehe die Straße hinunter. Politessen streunen an den Straßenrändern herum. Ihre blauen Kostüme sind nass geschwitzt. Mir wird übel. Eine Politesse erinnert mich an die Brötchenverkäuferin aus der Bäckerei ums Eck, die jedes Mal ihren gelangweilten, angeödeten Blick aufsetzt, wenn ich eine Beratung beim Brötchenkauf wünsche. 

"Ist das auch wirklich Vollkorn? Was denn jetzt? Mehrkorn oder Vollkorn? Also doch nicht Vollkorn? Können Sie nicht mal ihren Chef fragen?".

Warum wissen Frauen eigentlich nie Bescheid? Acht Stunden stehen sie in ihren Läden herum und wissen nicht einmal, was sie tagein tagaus verkaufen. Jeder Mann würde sich informieren über die Zusammensetzung der Teigwaren, über die Herkunft des Getreides, über Herstellungsmethoden. Aber nichts dergleichen bei den Verkäuferinnen, die immer nur gelangweit herum stehen. Sie wissen nicht einmal, ob die Fabrikarbeiterinnen in der Bäckerei Haarnetze tragen oder ob dort auch Ausländerrinnen beschäftigt sind.

Ich gehe die Universitätsstraße entlang an alten ehrwürdigen Gebäuden vorbei. Was studieren die jungen Menschen hier eigentlich? Maschinenbau und Elektrotechnik lese ich am Eingang. Es kommen mir ausschließlich männliche Studierende entgegen. Und wieder fühle ich mich bestätigt: Das weibliche Geschlecht hat einfach kein Interesse an Bildung. Wie soll es da mit Deutschland aufwärts gehen, wenn die ganze Last, die ganze Verantwortung nur auf den Schultern der Männer liegt? Eine Putzfrau wischt die Steinfließen des Foyers. Zumindest verteilt sie den Schmutz gleichmäßig im ganzen Raum. Ich sollte die Reinigungsfirma informieren, die sie beschäftigt. Nicht einmal solche einfachen Tätigkeiten werden gewissenhaft ausgeführt. 

Nebenan befindet sich die biologische Fakultät. Ich stelle mir vor, dass sie dort aus Stammzellen neue, großartige Wesen kreieren könnten. Was für atemberaubende Aussichten. Endlich wäre man im Stande, diesen unappetitlichen, blutigen, weiblichen Geburtsvorgang zu den Akten zu legen. Sicherlich würde es auch zukünftig rückständige Frauen geben, die ihr Kind weiterhin auf die herkömmliche Art und Weise zur Welt bringen wollten bzw. ihre Männer dazu zwängen, dem zuzustimmen. Natürlich nennten sie es dann. Was soll daran natürlich sein? Natürlich ist doch einzig und allein die Auswahl der menschlichen Gene, die Selektion, die Evolution. Das werden Frauen natürlich nie begreifen. 

Ich gehe die Straße weiter und bemerke einen Tumult an der nächsten Kreuzung. Es ist meine weibliche Leserschaft, die sich formiert. Ich bleibe stehen, weil sie mir den Weg versperrt. Schließlich drehe ich mich um, gehe mit raschen Schritten zurück, fühle mich verfolgt, fange an zu rennen, laufe an der Universität vorbei, an den Politessen, an der Bäckerei, am Straßencafe bis zu meinem Auto, das hinten nur eine leichte Delle hat. Ich steige ein, fahre die Straße hinunter. Es kommt
mir ein Abschleppwagen entgegen. Noch drei Straßen, dann bin ich daheim. Daheim bei Mami. Gott sei Dank!
 

 
  

  

Udo Schmitt, Juni 2002

 
 

 

 
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