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Ein schönes Bild
 
 
 

Ich sehe hinaus auf das grüne Meer. Weiße Luftblasen steigen auf. Man hört einen Ton über den Sand schleichen. Worte perlen herab von den schwarzen Palmblättern und fallen ins Wasser. Die Sonne steigt höher. Blauer Himmel über uns wie endlose Freiheit. Eine rote Muschel ist mein Zuhause. 

Ich ritze mit einem Messer an deinem Körper, bis der erste Tropfen Blut kommt. Die Sonne trocknet sofort die karminrote Spur. Höre ich ein Flüstern von dir? Nein! Du liegst nur da. Das grüne Meer kommt näher heran, umspült deine grauen Beine. Ich würde so gerne in deinen Kopf hineinsehen, in dein Herz, in deinen Bauch. Was ist nur drin in diesem verschlossenen Bauch? Das schwarze Messer fällt mir aus der zitternden Hand. Liebste Katharina, dein Gesicht ist so wunderschön blau. Auch deine Augen, dein Mund, dein Bauch ... Dein Blut aber ist rot. 

Wirst du je dieses Kind austragen, das die rubinrote Teufelsgestalt in dich hineinpflanzte? Vielleicht wachst du auf aus deinem schwarzen Schlummer und erzählst mir, dass alles nicht wahr ist. Dass ich es war, der mit dir an den farblosen Stränden entlang spazierte. Dass ich es war, der dich hoch in die Luft warf. Dass du es warst, der nie mehr auf die Erde zurückkommen wollte. Erinnerst du dich? Du lachtest von oben auf mich herab. Sehr hell und irgendwie rosa. Jetzt liegt jedoch ein sonderbarer Schatten auf deinem Gesicht. Du liegst auf der Erde, als wolltest du dich mit ihr vereinen. Wie gerne wäre ich dieses Stück roter Erde.
 
Du schlägst die Augen auf und fragst, warum es so kalt ist. Ein eisgrauer Wind weht Schneeflocken auf deinen nackten Körper. Die Palmen neigen sich bis auf den Boden und werfen ihre Wedel wütend um sich. Ich stehe auf und ziehe meinen schwarzen Mantel an. Ich sage dir: Mein Leben bestand immer nur aus zwei Farben, die sich zu einem Grau vermengten. Siehst du dort die Wolken? Es sind meine Gedanken. Sie tropfen herab zur Erde und versickern. Irgendwann kommen sie wieder aus der Erde hervor und ballen sich am Himmel zusammen. Ich grinse böse wie ein Schauspieler.
 
Du willst mir nicht zuhören. Du bemerkst, dass du an Händen und Füßen gefesselt bist. Du versuchst dich zu befreien, löst mühelos deine Fesseln und schaltest die Sonne wieder an. Jetzt, wo du weißt wie ich bin, wirst du mich jetzt lieben, fragt meine Stimme? Du schüttelst den Kopf und hinterlässt Fußspuren im Sand. Du bist wie ein Spiegel, sagst du und verschwindest im Himmel. Ich denke lange über deine letzten Worte nach. Das Licht fällt schräg aus den dunklen Wolken. Es sind die Finger Gottes, die das Meer besänftigen. Zum Schluss spiele ich auf dem Klavier und versinke langsam im rotblauen Sand. Das ist ein schönes Bild.
 

 
 

  

Udo Schmitt, November 2001

 

 

 

 
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