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Die heimtückische Vergewaltigung eines älteren, ehrbaren Herren
 
 

Das wehrlose Opfer sank zu Boden und versuchte verzweifelt, sich aus der festen Umklammerung seines Peinigers zu lösen. Doch es war vergebens. Das Fettgesicht saß rittlings auf seinem Bauch und quälte ihn genüßlich, immer wieder aufs Neue.

"Nein, nein, tun sie mir das nicht an!", rief das Opfer. Es dachte an seine Familie, seine Karriere, seine Zukunft.

Der Fette rauchte unbeeindruckt seine dicke Zigarre und steckte ihm  weiter Bündel von Geldscheinen in die Jackentasche. Und als diese voll war, begann er, sie in die Hose, in die Schuhe, in das Hemd zu stopfen. Dem Opfer kamen die Tränen. Es fühlte sich entehrt, mißbraucht, verletzt. Würdelos. Die ganzen Jahre war er ein ehrlicher, aufrichtiger Minister gewesen. Hinterbänkler zwar, doch mit strahlend weißer Weste. So war es bis zu jenem Tage, an dem dieser bösartige Waffenhändler beschloß, seinen guten Ruf mit einem Schlag zu ruinieren.

"Fünfzigtausend für den Schatzmeister, Zwanzigtausend für den Ortsverband", rief der Händler jovial. Es schien ihm Spaß zu machen. Der Minister ließ es willenlos über sich ergehen. Als der ganze Spuk schließlich vorbei war, ging der Minister  voller Abscheu unter die Dusche und wusch sich all den Schmutz von seinem Körper und seiner Seele ab. Danach trat er hinaus ins Freie und konnte sich ab sofort an nichts mehr erinnern. Vor allem nicht, woher das viele Geld kam, das noch immer in seinen Taschen steckte.

Der Wind wehte ihm einzelne Geldscheine aus der Jacke. Durch diesen Umstand angelockt, zog er eine bunte Gefolgschaft hinter sich her, die lustig im Geldregen tanzte. Der Minister erkannte allmählich die positiven Seiten seiner eben erlittenen Pein. Er griff in seine Taschen und streute das Geld in alle Himmelsrichtungen. Seine Anhängerschar  wurde daraufhin bedeutend größer, man ließ ihn sogar hochleben. Schließlich wurden Stimmen laut, die ihn für das Amt des Außenministers vorschlugen.

Es begann eine schöne Zeit. Der Minister genoß sie in vollen Zügen. Gönnte sich so manchen Urlaub auf Kosten seiner neuen Freunde, flog durch die große, weite Welt. Irgendwer würde die Rechnung schon bezahlen, darum machte er sich keine Gedanken - schließlich war er inzwischen der "bedeutende" Minister, der nur die wesentlichen Entscheidungen traf, und sich um den Kleinkram nicht weiter kümmerte.

Dann gab es da aber auch noch eine Opposition, die einfach keinen Spaß verstand und sowieso nicht die geringste Ahnung von Politik hatte. Diese zerrte den verwirrten Minister eines Tages vor eine laufende Kamera, worauf dieser versehentlich zugab, schon einmal einen Tausend-Mark-Schein persönlich gekannt zu haben. Das Volk war sofort entrüstet und die Zeitungen hatten ihre Schlagzeile. In riesengroßen Buchstaben forderten sie den Rücktritt des Ministers. Der arme Minister verstand jedoch überhaupt nicht, worum es ging. Der  Grund für die große Aufregung war ihm schleierhaft. Ein Rücktritt kam nicht in Betracht; er hatte sich schließlich schon so sehr an sein neues Büro und vor allem an seine Sekretärin gewöhnt. Außerdem waren all seine Kollegen auch nicht viel besser als er, das vermutete er ganz einfach einmal. Dem Minister war jüngst zu Ohren gekommen, daß die Tochter des Oppositionsführers schon einmal Spielgeld in ihrem Besitz und damit auch noch vor ihren Freunden geprahlt hatte. Die Opposition sollte doch erst einmal den Dreck vor ihrer eigenen Haustür kehren, bevor sie ihm ans Bein pinkelte, rief er einem abwinkenden Journalisten hinterher.

Die Rechtfertigungen und Anschuldigungen nutzten jedoch nicht viel. Es wurde  einsam um den Minister. Er hatte doch immer zum Wohle der Partei gehandelt, alles nur in ihrem Interesse getan. Er war das Opfer einer niederträchtigen und heimtückischen Tat. Niemand stand plötzlich mehr zu ihm, er war ganz alleine. Seine Frau und die Sekretärin hatten ihn inzwischen verlassen, waren längst über alle Berge.

Er begann zu trinken und verlor all sein Geld. Die Verzweiflung war ihm ein ständiger Begleiter. Da traf er eines Tages den Waffenhändler aus alten Zeiten wieder und bat ihn um eine kleine Spende. Dieser lachte jedoch nur höhnisch, drückte ihm aber  dennoch mit einem gönnerhaften Grinsen ein Pistole aus seinen Restbeständen in  die Hand  und sagte: Ich bitte sehr, bemühen sie sich nicht weiter. Ich brauche wirklich keine Spendenquittung.
 
 

Udo Schmitt, Januar 2000
 

 
 

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