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Sie nannten ihn Kaminski 
 

PLONK! schmatzte der Lauf seines matt schwarz glänzenden Colts und spuckte ein Stück Kork auf den Hemdkragen seines Gegenübers. Gedankenverloren wischte dieser über seine Schulter, so dass das Stück Kork mit einem leisen PLOPP! zu Boden fiel. 

"Ich habe dich geplonkt!", rief Kaminski und grinste verwegen. 

"Oh wie reizend!", meinte der Geplonkte, denn er wusste gar nicht, was Plonken ist. "Darf ich dich zu einer Tasse Tee einladen?" 

"Sucking Fucking Shitbull Pitbull!", knurrte Kaminski verächtlich und schob seinen Hut tiefer ins Gesicht. Er kaute lässig an einem rosa gestreiften Plastikstrohhalm. Wusste dieses Greenhorn denn gar nicht, wer er ist? Er, Kaminski, Herrscher über ein dunkles Newsgruppen-Imperium, 3-facher Jugendmeister im Daueronanieren und erfolgreichster Gummihüpfer aller Zeiten? 

"Weißt du denn nicht, wer ich bin?", fragte er schließlich mit einem gefährlichen Flackern in den Augenwinkeln. 

"Aber klaro!", sagte das Greenhorn, "du bist doch Kaminski, der, der immer so hübsche, niedliche Reimgedichte über die Biene Maja in der Klatschmohnwiese und über diese, diese ... wie heißt sie noch ...?  

"Eva", hauchte Kaminski und biss sich gleich darauf auf die Lippen. 

"Ja, genau, Eva! Der immer so süße Gedichte über diese Eva schreibt. Deine zärtlichen Worte, deine romantisch verklärten Bilder, deine liebenswerten, schmeichlerischen Beschreibungen. Ich habe sie noch alle in Erinnerung. Sie sind einfach ... wunderschön!" 

Kaminski bekam glänzende Augen und musste plötzlich an seine Eva mit ihrem süßen Nabel denken, aus dem er immer Nutella schlecken durfte, wenn er den Abwasch ordentlich gemacht hatte. "Du magst sie wirklich, meine Gedichte?", fragte er schließlich zaghaft" 

"Wer liebt sie nicht?", schwärmte Greenhorn, "wir lieben sie alle, schwelgen in Bildern, die du uns erschufst. Fräulein, einen Kamillentee für Kaminski bitte." 

"Kaminski?", stotterte die Bedienung fassungslos und zog ein zerknittertes Stück Papier aus ihrem Ausschnitt. "Ich liebe, ja verehre Kaminski. All seine Worte gehen mir sehr, sehr nahe - deswegen trage ich sie immer ganz nah an meinem Herzen." Sie wollte das Gedicht vorlesen, die Espressomaschine rief sie jedoch mit einem lauten Zischen hinter den Tresen. 

Kaminski hob das Stück Kork auf und steckte es wieder in den Lauf seines Colts. "Ich wusste ja gar nicht ...", stammelte er verlegen und wurde rot im Gesicht. "Wenn ich das gewusst hätte ... hätte ich nur gewusst ..." 

"Tja", sagte, der Erzähler, "hätte er nur gewusst, dass das Greenhorn alles nur gelogen hatte und die Kaffeehausbedienung sich nur schnell die Getränkekarte ins Dekolleté gestopft hatte."

 
 
 

  

Udo Schmitt, August 2001

 
 

 

 
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