Abgründe 
 

Im Fallen noch 
versucht zu retten sie 
ihr Kind 

doch der Augen Kraft 
reicht nicht mehr aus 
den Körper einzufangen 

Der wohlvertraute Blick 
ein letztes Mal 
und dann nie mehr 

So wacht sie auf 
aus diesem Traum 
und zittert 
mit den Händen 

Sie eilt zum Kinderbett 
das kleine Wesen 
für immer 
zu umschlingen 

Sie hält es fest 
so stark sie kann 
um nie mehr loszulassen 

Das Kind an Mutters Brust gedrückt 
jedoch 
stirbt atemlos im Arm 
ganz unbemerkt 
in dieser Morgenstunde 
  

Udo Schmitt, Juni 1999 

 

 
 

 
 
 

 
 
 
 


 


 

 Men´s Health
 
Jürgen Hofmann
 
 
He du
komm her und schau ihn an
Das ist mein ultraharter
Waschbrettbauch
 
Ich lache laut
und sag' dir gleich
die Schönheit kommt nicht über Nacht
Den Körper teil' ich in Regionen auf
trainier' sie Stück für Stück
und jeden Tag
 
Am Spiegel bleib' ich gerne steh'n
Nun hab' ich ja nichts zu verbergen
Die Stunden mit ihm lieb ich sehr
er ist mir Kritiker
und Freund zugleich
 
Mit Faden und mit Lineal
meß' ich mein Geschlechtsteil aus
und trag es ein ins Diagramm
der aktuellen Tagesform
 
Ich mach' mir einen Plan genau
wann ich es wohl benutzen tu'
denn treff' das rechte Maß ich nicht
so schadet's der Gesundheit nur
 
Am Abend mag ich die Entspannung
an und für sich ist es schön
Und irgendwann kommst du vorbei
Ich frag dich
Kleines, liebst du mich
Du schweigst nur
und ich stell' fest:
Du mußt
mich einfach lieben
 
 

Udo Schmitt, Juli 1999

 
 
 
 



 


 

Damals wie heut

 
 
 
Die große Schwester   
das warst du   
für mich   
vor langer Zeit   

Und weil so groß, und weil so schnell   
fuhrst immer mir davon   
mit deinen Freunden   
auf dem Fahrrad   

Dann wurd' es immer still um mich   
Das Gefühl kenn ich noch heut   
Die kleinen Beinchen viel zu kurz   
um auch dabei zu sein   

Inzwischen ist das alles anders   
Im Leben steh' ich   
felsenfest   
für dich jedoch, du große Schwester   
spiel' ich ihn noch immer   
den kleinen Bruder   
ungewollt   
  
  

Udo Schmitt, Juni 1999

 
 
 
 


 


 

Schicksal

 
Den Rücken drehst
du mir schon fast
den ganzen Abend zu
du Weib

Du hörst mich nicht
du siehst mich nicht
du kannst mich nicht mal riechen

Da kommt ein Bösewicht
ganz heimlich angeschlichen
mit einem Grinsen
sticht er zu
das Blut fängt an zu rinnen

Die Schrecksekunde lähmt dich noch
kannst dich nicht einmal rühren
Das Schicksal nimmt
nun seinen Lauf
Ich grinse
schau dir zu, gebannt
und spiel mit meinen Zehen

Jetzt merkst du's endlich
diesen Stich
und faßt dich an den Rücken
Der Schnak fliegt
hochzufrieden fort
und leckt sich noch den Rüssel
 
 

Udo Schmitt, Juli 1999

 
 
 
 


 

 

Manchmal

Manchmal 
wünscht' ich mir 
ich wär weit fort 
von euch 
und eurem Treiben 

Als frühe Knospe 
fest verschlossen 
könnt ich warten 
auf das Blühen 
oder nicht 

Als Fötus 
würd' ich planschen 
Im frucht'gen Wasser dann 
von Mutters Kuchen naschen 

Als Samenzelle gar ... 
Wär' eine unter vielen 
und doch 
allein für mich 

Dann kommt die Zeit 
da ist mein Wunsch 
Ich lebte nur 
als ein Gedanke 
als flüchtige 
Erwägung 
 
 

Udo Schmitt, Juli 1999 

 
 
Russell Lett
 
 
 
 
 
 
 
   


 

 
 
 
 
 
Wayne Geist
 

Sommerloch

  
All die Dichter 
und vielleicht 
sogar die Denker 
hocken nicht mehr in den Stuben 
sondern schwärmen aus 
als Invasion 
und fangen an zu leben 

Die Sonne macht 
den Mensch lethargisch 
Auf Wiesen liegt er 
gliederreckend 
und die Gedanken rinnen langsam 
aus den heißen Köpfen 

Es ist egal 
Auf dem Boden wird 
der Denkausfluß 
vermengt zu einen Einheitsbrei 
 

 
Nackt sind alle Menschen gleich
dort auf der großen Sommerwiese
Der Dichter hat vielleicht 'nen Bauch
und heute ist er gar
ein Stückchen fauler noch
als sonst

Er denkt an nichts
bewegungslos
und läßt den Bleistift treiben
als kleines Schiff
im Baggersee
 
 

Udo Schmitt, August 1999

 
 
 
 
 


 


 

Herr Aua und Frau Schnell

 
Kind nun mach, mach doch schnell
jetzt mußt du dich sehr beeilen
Trinke das Glas Milch, und
aua
stell' die Blumen wieder hin

Auch Brot muß man mal runterschlucken
nicht kauen eine Stund' am Stück
Und Obst ist wirklich sehr gesund, denn
aua, aua
Vitamine braucht man unbedingt

Warum hat die Hose wohl zwei Beine
Hast du das schon mal überlegt
Aua, aua
Doscht aua
ich glaub wir nehmen heut' das Kleid

Die Socken sind so widerspenstig
Aua, aua
Abbelscholle
Mach dich bloß nicht wieder naß
Der Becher fällt mit viel Geschrei

Aua, aua, au aua
Ein Kreischen nährt die Nervenkrise
Tropfnaß ist der kleine Wicht
Doch das Malheur wird ignoriert, denn ich
kann den zweiten Schuh nicht finden

Herr Aua und Frau Schnell, die beiden
ein eingespieltes Team, für wahr
Attacken sind gut abgestimmt
Die Strategie ist teuflisch gut
Und auf dem Schlachtfeld
tief gesunken
liege ich
ich bin besiegt
 

Udo Schmitt, August 1999

 
 
 
 


 


 

Der Dichter geht

Heiß geliebt und doch erfunden
Kunterbuntes Lichterkarussell
Die Zentrifuge
läßt dich fliegen übers Land
Weit weg
Vielleicht bist du ja dort zu Haus

Die Hände wund vom Applaudieren
werfen wir Konfetti
über dich
und setzen dir die Krone auf
weil's uns gefällt
für einen Augenblick

Ein Jubelheer
singt deine Worte
im Choral
Mit Tränen in den Augen
wird uns allen klar
wir lieben dich
bereits schon heut
als unsere
Legende
 
 

Udo Schmitt, August 1999

 
 
 
 


 


 

 
Die Luft ist heut so klar
 
Die Luft ist heut so klar
und die Gedanken
noch viel deutlicher als sonst
Das helle Licht
bald nur noch Erinnerung
spielt mit grünen Blättern
tausendfach

Und wieder bin ich traurig
Und wieder ist's vorbei
Und wieder bleibt nur Leere
in die der weiche Schnee bald fällt
und mich von innen kühlt

Im See sah ich ein Funkeln
dort wo wir nackt zum Bade gingen
Wir berührten uns mit Blicken sanft
Dann deckte ich
dich  zartes Wesen
mit meinem Körper zu

Die Luft ist heut so klar
Im Mantel stehe ich am Ufer
und seh' dich dort im kalten Wasser
auf leichten Wellen schweben

Ganz leise nimmt mich endlich dann
ein kalter Windstoß mit sich fort

 
 
 
 


 

 

Weinen

Und irgendwann
sagtest du:
Wein doch!
Und ich tat es
um dein Lachen
für einen Augenblick
im Halse zu ersticken
 
 
 

 



 

 

An den Türsteher

 
Sieh' doch
meine Worte
so schön, so edel und so gut
Manchmal bilden sie auch Sätze
und oft ergibt sich gar ein Sinn

Du magst sie nicht
und willst mich nicht
kannst das Zeug nicht lesen?
Außen muß ich stehen und
die Dichterfürsten grüßen

Mit einem Grinsen
diabolisch
wart' ich auf's Poetenpack
Die schwarze Tinte gieß ich über
elegante Abendroben

Der edle Kreis, er ist entrüstet
naserümpfend steh'n sie da
Ich zucke nur mit meinen Schultern
denn mir geht's jetzt wunderbar
 

Udo Schmitt, August 1999

 
 
 

 



 

 

Udos umschwärmtes Liebesgedicht

 
Dich koste und umschwärmte ich
im Rausch der Sinne weltentrückt
um deinen süßen, weichen Körper
mit tausend Küssen zu benetzen

Oh Liebreiz sprühend, heilig Wesen
verlockend liegst du lautlos harrend
und bietest dich mir an
Ew'ger Quell der Körpersäfte
kraftvoll meiner Lust entspringt

Ungestillt war das Verlangen
schmachtend in der Häuser Ecken
Dich zärtlich gurrend zu befächeln
danach steht mir nun der Sinn

Das Wasser, Zeichen meiner Freude
mir haltlos aus dem Munde tropft
Wir sind, das sieht ein jeder Mensch sogleich
einander hoffnungslos verfallen
Ein emsig turtelnd Liebespärchen
Du Kadaver, ich Geschmeiß
 

Udo Schmitt, August 1999

 
 
 
 


 


 

Stummer Wechsel

 
Du kennst mein überbreites Grinsen
das sich schnell zur Fratze zerrt
die Zähne Bajonetten gleich
zum Angriff jeder Zeit bereit

Du kennst die Wirkung jener Worte
die sich wie von selber füllen
mit kaltem Spott und Ironie
nur Hülsen sind für garstiges Gebräu

Du kennst die Macht, die mich umgibt
und wie ich sie genieße
Auch dein stummes und ersticktes Leiden
ließ mich täglich triumphieren

Du kennst mich, und du haßt mich
Ich las es oft in deinen Augen
Und als ich wieder nach dir rief
da warst du fort - und ich allein

Ich weine dir nicht hinterher
und hab dich auch schon fast vergessen
Ein Anruf bei der Zeitung, und
mein Spiel kann neu von vorn beginnen

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